Gedanken über Ort, Raum, Gegenstand und Umgebung
(Ein Auszug aus dem Vortrag "Die Stadt als Utopie" Phantombuero, Kunstverein Frankfurt, 1998

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Als Ausgangspunkt meiner Überlegung habe ich eine Postkarte genommen auf der eine mittelalterliche Burg abgebildet ist. Aus der Vogelperspektive kann man deutlich zwei Zonen erkennen. Außen, das Grüne, beliebig erweiterbar ist die Natur, früher noch die unberührte wilde Welt. Die innere Zone ist vom Mensch geschützter künstlicher Raum, der sich durch die baulichen Strukturen deutlich vom Rest abgrenzt. Die Burg gestaltet sich in einer Konfrontation mit der Umgebung, und wird von ihr beeinflußt. Die Burg ist die kleine Stadt, die jetzt wächst.
Die künstliche Welt weitert sich allmählich aus. Dises Bild links ist die Stadt Frankfurt von oben gesehen. Das grüne Dach ist vom Parkhaus Junghofstrasse, und könnte von uns als "Park" gestaltet werden. Hier sieht es so aus, als ob der grüne Raum, die "unerforschte" Welt, nun fast vollständig von der Stadtkultur absorbiert wäre. Aber die Kultur wird immer neu bewertet. Sie ist nicht nur ein Ergebnis, ein Produkt, sondern auch der Forschungsgegenstand. Sie ist nicht mehr gegen die Natur gerichtet sondern gegen das was uns ständig umgibt, gegen die künstliche Welt. So vertauschen sich die zwei Zonen, und entsteht eine neue Konfrontation.
Die Burg steht an einem bestimmten Platz, an einem Ort. Der Ort ist ein speziell gekennzeichneter Platz oder Raum-abschnitt, charakterisiert durch die ihn definierenden Elemente, durch Kontraste. Diese Kontraste sind die Gegensätze der Topologie, der Form, des Materials oder der Farbe, und an diese Kontrastpunkten, und -linien in der Landschaft, bilden sich Orte, Stellen, die sich von ihrer Umgebung abheben. Solche Orte wie Ufer, Gipfel, Straße waren die bevorzugten Siedlungsplätze der Menschen, und haben das Bauen beeinflußt. 
Das Parkhausdeck ist durch seine besondere Lage ein Ort. Kurt Grütter beschreibt den Ort folgendermaßen: 
Ein Ort ist mehr als die bloße Lage. Ein Ort kann durch ein spezielles Ereignis eine besondere Bedeutung erlangen. Viele Denkmäler und Wallfahrtskirchen bezeichnen solche Orte. Der Ort kann so über seine erinnernde Funktion hinaus eine symbolische Bedeutung erlangen. Mit Symbolen kann man sich identifizieren, z.B. die Fahne. Mit ihrer Hilfe verwandelt sich der Raum zu einem Ort. (links ehemaliger westberliner Kontrollpunkt Heinrich-Heine-Str.)
Nach Robert Venturi, ist in der Moderne durch die Vergötterug des Raumes die Fähigkeit verloren gegangen, dem formalen Ausdruck einen tieferen, geistigen Inhalt zu verleihen. Die Erscheinung des Gegenstandes als Kommunikationsaspekt, sollte wichtiger sein als die räumliche Eigenschaften wo er sich befindet. Die Anonymität der Räume bleibt fremd. Sie werden schnell vergessen, weil man sich mit ihnen nicht identifizieren kann. Ein Unterschied zwischen Ort und Raum ist, daß der Ort sehr oft, durch seine Geschichte nur vom Einheimischen als solche erkannt wird. 
Ein Gegenstand befindet sich an einem Ort und beansprucht Raum. Die naheliegendste Definition für Raum besteht darin, ihn als Leere zu bezeichnen, die etwas aufnimmt, die gefüllt werden kann. Raum und Gegenstand kann verpflanzt werden, Ort nicht. 
Von oben die Innenräume und Zwischenräume der Stadt können vernachlässigt werden, und die Stadt ist wie eine Landschaft. Von hier gesehen, durch den veränderten Blickwinkel, sind die Hochhäuser eigentlich, wie in den Himmel strahlende Felsen.
Ein Landschaftsbild ist fast ohne Handlung. Seine Funktion besteht darin, einen Ort zu zeigen, einen Ort für eine Aktion, z.B. Bergsteigen. Das Landschaftsbild fügt den Betrachter in den Raum des Bildes ein. Er nimmt teil an den Geschehnissen im Bild. 
Parkhaus als Sockel für öffentliche Aktivitäten:

In der Architektur und in der Kontextkunst hat die Umgebung auf die Wahl des Standortes und die Art des Werkes einen großen Einfluß. Sie ist gegeben und kann nicht verändert werden, und sie ist der Anfang. Diese Umgebung ist der Rahmen für eine weitere Handlung. In der autonomen Kunst ist der Kreativitätsprozeß umgekehrt, der Rahmen oder der Sockel kommt erst zum Schluß, kann schmaler oder breiter, kleiner oder höher gemacht werden, oder kann einfach eine weiße Wand, ein leerer Raum sein. 
Büttner sagte; das Werk ist beendet bevor der Betrachter es sieht. Oder anderes gesagt, das was für den Ort die Umgebung bedeutet, bedeutet der „white cube“ für das autonome Werk. Mit Hilfe der Bilderrahmen definiert das Bild seine Autonomie, und der Sockel hebt die Skulptur über die Trivialität des Gegenstandes hinaus. Der „white cube“ ist ein nach außen abgeschlossener Raum, in dem die Reise nach innen geht. Das sind die Voraussetzungen für die Wahrnemung, aber kein Garant für ein gelungenes Werk. 
Im öffentlichen Raum Kunst wahrzunehmen fällt es am leichtesten, wenn sie eine Funktion hat, wenn sie einen gewissen Gebrauchswert erfüllt. In der Geschichte war das eigentlich immer so, sei es die Skulpturen der Antike, sei es ein mittelalterliches Kirchenfenster, oder die Brunnen auf dem Markplatz. Sie hatten eine Funktion, waren themenbezogen, sie waren mit dem heutigen 

Ausdruck gesprochen; kontextuell. 
Kontextuelle Kunst ist nicht eine neue Erfindung, sondern das Verstehen in welchem Zusammenhang Umwelt und Gegenstände sich verhalten. Bis ins 17. Jahrhundert wurden Gemälde und Skulpturen für feste und bestimmte Orte gemacht. Die Idee ein Bild umzuhängen ist relativ neu, und ist oft mißglückt.
Der Wert des öffentlichen Raumes liegt in seinem Kommunikationscharakter. Er ist wie das weiße Blatt neu zu beschreiben, wie das Ackerfeld zu bestellen. In dem sich die Ereignisse hier qualitativ vermehren, wird der öffentliche Raum zu einem Ort. 
Wenn die Suche nach Werten und Sinn zweifelhaft geworden ist, sucht die Kunst ihren Kontext in der Kunstgeschichte. So wird sie verstärkt selbstbezogen. 
Seit der Moderne ist die Kunst autonomer geworden. Das autonome Werk braucht einen Privatraum. Mit dem Privatraum (Wohnung, Galerie, Museum) wird das autonome Werk geehrt. Es fühlt sich im öffentlichen Raum fremd, beziehungslos, und wird oft als bedeutungsloser Gegenstand wahrgenomen. Die Frage ist nicht die Wahl zwischen autonomer oder kontextueller Kunst, sonder in welchen Arbeitsprozess ich mich begebe. Baue ich die Welt von innen nach außen auf, wie das in früheren Zeiten war, oder bin ich als Individum Mittelpunkt der Welt, und grenze ich mich ab, um meine Autonomie zu bewahren. 

Zoltan Laszlo